Recht auf Geschlecht

Selbstbestimmt leben zu können und die Anerkennung der Geschlechtervielfalt sind fundamental für alle Menschen. Wie steht es um diese Rechte für Menschen mit Behinderungen?

Das Geschlecht ist ein wesentlicher Teil der Identität eines Menschen. Das im Personenstandsregister nach der Geburt festgelegte Geschlecht stimmt aber nicht immer. Seit diesem Jahr können deshalb das Geschlecht und der Vorname im Personenstandsregister durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung geändert werden.

Auch für Menschen mit Behinderung spielt das Geschlecht eine wichtige Rolle. Allerdings war das Geschlecht im Kontext von Behinderung bisher hauptsächlich wegen der Auswirkungen auf die Gleichstellung ein Thema. Dort wissen wir inzwischen, dass Geschlecht und Behinderung zu mehrfachen Diskriminierungen führen können. [i]

Aufgrund fehlender Daten wissen wir bis heute wenig über die genderbezogene Situation von Menschen mit Behinderung. Das gilt besonders auch für die Situation von trans- und intergeschlechtlichen Personen. Trans Personen sind Personen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, die eine Vielfalt an körperlichen Geschlechtsentwicklungen aufweisen und körperliche Geschlechtsmerkmale haben, die nicht ausschliesslich männlich oder weiblich zugeordnet werden können. Dass es zu wenig Informationen gibt über die Situation von Menschen mit Behinderungen zeigt sich besonders auch mit Bezug auf Gewalterfahrungen. Dort wurde zuletzt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie festgestellt, dass Daten über geschlechterbezogene Gewalterfahrungen in sozialen Einrichtungen fehlen.

Die UNO-BRK schützt die Integrität des Geschlechts als Teil der persönlichen Unversehrtheit in Artikel 17. Darunter fallen insbesondere auch der Schutz vor medizinischen Massnahmen zur Geschlechterangleichung sowie Zwangssterilisationen. Zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen wurde die Schweiz von der UNO ermahnt, unnötige chirurgische Eingriffe und medizinische Massnahmen bei intergeschlechtlichen Kindern zu verhindern[ii]. Der Aspekt der Geschlechtsidentität wird darin nicht explizit erwähnt, sondern wird indirekt vermittelt, durch die Verpflichtung, dass Menschen mit Behinderungen dieselben Möglichkeiten und Rechte haben, wie den Menschen ohne Beeinträchtigung.

Für die Gleichstellung ist zu fordern, dass Geschlecht und Geschlechteridentität von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen anerkannt und respektiert werden. Ein positives Beispiel, dass sich dafür ein Bewusstsein bildet, ist der Wegweiser «Ich will mich nicht verstecken!» der Fachhochschule Luzern zu trans Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung[iii]. Die Wahl eines stimmigen Vornamens wird dort als Beispiel für die Akzeptanz und Wertschätzung im Umgang mit trans Personen genannt. Wichtig auch der Hinweis, dass die eigene Geschlechterkonzeption nicht auf das Gegenüber übertragen werden darf. Menschen mit (kognitiven) Beeinträchtigungen müssen bei der Entwicklung ihrer Geschlechteridentität besonders gestärkt werden. Der Grundsatz «nicht über uns ohne uns» ist im Kontext von Geschlecht, Identität und Sexualität deshalb besonders aktuell.  

 

[i] Themendossier EGBG Frauen mit Behinderungen in der Schweiz: http://www.edi.admin.ch/ebgb/.

[ii] Weiter bemerkte der UNO-Ausschuss auch, dass der Zugang zu medizinischer Betreuung für intersexuelle Personen in der Schweiz ungenügend ist. https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CRPD%2fC%2fCHE%2fCO%2f1&Lang=en

[iii] "Ich will mich nicht verstecken" : Trans Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung : ein Wegweiser für die Professionellen in der Sozialen Arbeit: Sheila Sommerhalder und Natalie Weber https://edudoc.ch/record/212166