Im Gespräch mit Lila

In Lilas Zimmer hängen bunte queere Fahnen an der Wand, ein grosser Computer und ein gemütliches Sofa füllen den Raum. Lila wohnt im Wohnheim für Menschen mit Muskelerkrankungen in Zürich.

«Bei gewissen Interviews habe ich mich nicht wohl gefühlt.» Das wollen wir ändern und wir suchen einen Weg, um miteinander Themen zu finden und ein Format, dass wir spannend finden. Lila weist darauf hin, dass they eine super Kamera zum Filmen hat. Wir entscheiden uns dafür Themen zu sammeln und uns in einem Gespräch zu filmen. 

«Nur schon, wenn ich in die Frauenabteilung zum Kleiderkaufen gehe, mache ich mich verletzlich», meint Lila. «Ich identifiziere mich als nicht-binäre Person und befinde mich somit zwischendurch und aussenrum zwischen den Polen von Mann und Frau. Bis vor kurzem habe ich meine Kleider über Online-Shops gekauft. Als ich dann zum ersten Mal in eine Kleiderfrauenabteilung ging, kam mir prompt die Verkäuferin entgegen und meinte, dass es auch eine Männer Abteilung gibt.» Dies war somit die erste Erfahrung für Lila als nicht binäre Person in einer Frauenabteilung. Leider nicht diskriminierungsfrei und zeigt uns auf, dass es für einige heute noch nicht möglich ist, einfach in ein Kleidergeschäft zu gehen. Und auch in den Onlineshops sind die meisten Angebote in Frauen und Männer unterteilt. 

Lila hat den Namen gewechselt und dies auch innerhalb des Wohnheimes kommuniziert. Ein Mail wurde an alle versendet, die da wohnen und arbeiten. Und doch brauchte es seine Zeit, bis sich die Mitbewohner*innen an den Wechsel gewöhnt haben. «Soll ich sie jedes Mal korrigieren? Wie viel Verständnis soll ich aufbringen, wenn die Menschen wieder den anderen Namen verwenden? Und muss ich das alles allein machen?» Das waren Fragen, die in diesem Prozess aufgekommen sind. Wenn heute am Empfang nach Lila gefragt wird, ist es klar um wen es sich handelt. «Und als ich mich damit auseinandergesetzt habe mein Gender oder Namen in meinem Pass anzupassen, habe ich mich entschieden es vorerst so bleiben zu lassen. Der ganze Prozess ist zu umständlich, mit seltsamen Befragungen und Bürokratieaufwand verbunden. Das war mir einfach zu viel.» 

Online lebt Lila die Queerness mit viel Lust und aktivistischem Interesse aus. Ob an Drag Events, beim Probieren von neuer Kleidung oder beim Make-up. Lila dokumentiert vieles auf Instagram und schenkt den Menschen Einblick in einen Queer-Crip Alltag. So zeigt Lila den Menschen mit einer Anleitung wie ein Trachealas (Drüsen in der Luftröhre) abgesaugt wird, schreibt Gedichte, organisiert sich einen transparenten Gurt für den Elektrorollstuhl, damit die politischen Prints auf den T-Shirts auch sichtbar werden. 

«Dadurch, dass ich immer wieder von anderen Menschen betreut wurde, habe ich über die Zeit meine eigene Wahrnehmung von schönen Körpern immer weiter verändert. Die Menschen kamen aus ganz unterschiedlichen Gruppen, Communities, Kulturen. Dies zeigt wieder, wie wichtig Sichtbarkeit ist. Denn nur, wenn auch behinderte Körper sichtbar werden und als schön gelebt werden, können sie auch für andere Menschen zu einem schönen Körperbild werden» meint Lila und erzählt von dem einen Bild ohne Kleidung, das Lila auch online gestellt hat, obwohl them von Wohnbetreuer*innen davon abgeraten wurde. 

«Ich fände es schön, wenn wir ganz viele Crips wären, die sich zusammentun und aus verschiedenen Perspektiven und zusammen für die Akzeptanz von verschiedensten Körperformen aktivistisch arbeiten würden.» So die Utopie wie es wäre, viele rollstuhlgängige Räume zu haben, wo sich queerfeministische Aktivisti*innen treffen könnten. 

Auch ein neuer Wunsch ist es, Menschen zu finden, die Lust haben von Lila Videos zu machen für die aktivistische Arbeit. «Denn Fotos kann ich gut selbst machen und über meinen Computer steuern, doch um einen Schwenker mit einer Kamera zu machen, brauche ich noch eine weitere Hand.» 

Nach unserem Gespräch haben wir angefangen das Videomaterial zu bearbeiten. Schnell haben wir gemerkt, dass wir in Zukunft noch weitere Videoformate ausprobieren wollen, bevor wir ein Video veröffentlichen. Deshalb wird hier vorerst ein Text-Blog publiziert. 

 

 

Im Text werden die englischen Pronomen «they» und «them» verwendet. Im Deutschen existieren noch keine etablierten Pronomen der dritten Person für non-binäre Menschen. Einige non-binäre Personen bitten deshalb ihre Mitmenschen darum, keine Pronomen für sie zu verwenden. Andere benutzen sogenannte «Neopronomen» wie «xier» oder «dey».

Foto von Lila, mit einer lila Mütze, blauen Haaren, einer Brille und einem weissen Gewand. Im Hintergrund sind Wolken und ein Wohngebäude zu sehen.